Kommunale Einzelhandels- und Märktekonzepte - Mit Europarecht unvereinbar?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft derzeit, ob die gerade in Deutschland weit verbreiteten Einzelhandelskonzepte nicht gegen geltendes europäisches Recht verstoßen.

Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Steuerung des Einzelhandels ist ein Urteil des EuGH vom 24.03.2011.

Demnach darf ein Mitgliedsstaat den Bau großer Einzelhandelseinrichtungen nicht von wirtschaftlichen Erwägungen, insbesondere nicht von den Auswirkungen auf bereits vorhandene Wettbewerber, abhängig machen.

Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei vor allem gegenüber Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedsstaaten nicht hinnehmbar und damit unzulässig.

Im Einzelnen werden drei Vorschriften-Blöcke der spanischen Gesetzgebung kritisiert:

  • Regelungen, welche die Ansiedlung großer Einzelhandelsbetriebe außerhalb von konsolidierten städtischen Gebieten einer begrenzten Anzahl an Gemeinden verbieten,

  • Obergrenzen bei der Ansiedlung neuer Verbrauchermärkte auf Bezirke, in denen kein Überangebot an Einzelhandelseinrichtungen besteht (9 % der Ausgaben für den täglichen Bedarf bzw. 7 % der Ausgaben für den mittel- und langfristigen Bedarf),

  • Bestimmungen, dass bei Erreichung dieser Obergrenzen keinerlei neue mittlere oder große Einzelhandelseinrichtungen möglich sind.

Seit dem 17.06.2011 hat nun die EU-Kommission auch gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil mehrere Beschwerden von Handelsunternehmen zu speziellen landesplanerischen Regeln in Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingegangen sind, mit denen der großflächige Einzelhandel gesteuert werden soll.

Nachdem die Bundesregierung umgehend dargelegt hat, dass die kritisierten Bestimmungen zur Verkaufsflächengröße und zum Warensortiment von Einzelhandelsgroßprojekten in keiner Weise diskriminierend und wettbewerbsverzerrend seien, haben sich zwischenzeitlich auch die kommunalen Spitzenverbände in die Diskussion für einen Beibehalt der gängigen Planungspraxis zum Schutz des innerstädtischen Handels eingeschaltet.

Ende Mai diesen Jahres haben sowohl der Deutsche Städtetag als auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund den Vertretern der EU-Kommission die vielschichtigen städtebaulichen Gründe dargelegt, die eine Steuerung des Einzelhandels im Sinne des Allgemeininteresses rechtfertigen.

Mit dem Hinweis, dass die wirtschaftliche Auswirkungen nur im städtebaulichen, nicht aber generell im wettbewerbsrelevanten Kontext zu sehen sind, soll deutlich gemacht werden, dass die eingangs dargelegten Aspekte bei der Urteilsbegründung gegen Spanien nicht automatisch auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar sind.

Zudem folgt das Procedere zur Steuerung des Einzelhandels inhaltlich voll und ganz den Vorgaben des Baugesetzbuches, § 1 Abs. 5, wo es heißt: „Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten.“

Gerade regionale Einzelhandels- und kommunale Märktekonzepte sind i.d.R. das Ergebnis eines solchen Abwägungsprozesses und daher ein wichtiges Instrument für die geordnete Raum- und Stadtentwicklung.

Dem Vernehmen nach ruht das Vertragsverletzungsverfahren momentan bis zum Herbst, bis die EU-Kommission entweder ein „guidance-paper“ oder „best-practices“ zu der Gesamtthematik erstellt hat.


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